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Eröffnung:
Donnerstag 22.2.2001, 19-21 Uhr EINLEITUNG Die Olympischen Sommerspiele Sydney 2000 haben nicht zuletzt dazu beigetragen, den australischen Kontinent in den Augen der Weltöffentlichkeit sichtbarer zu machen. Ein massive Medienmaschine war in diesem Zeitraum auf das Land gerichtet und feierte die 'Neue Welt'. Neben eindrucksvollen Bildern sportlicher Leistung boten sich informative Einblicke in das moderne Australien, und auch der eine oder andere kritische Beitrag über die negativen Auswirkungen europäischer Kolonialpolitik kam nicht zu kurz. Trotzdem wurde aber auch nicht damit gespart, romantisierende Klischees von Exotik zu bedienen und die Sehnsucht nach einem volkloristischen 'Anderen' zu stillen. Die hier präsentierte Ausstellung zeigt ein Bild Australiens aus der Perspektive einer jüngeren Generation australischer Künstlerinnen und Künstler. Diese reflektieren lokale Bedingungen mit der für AustralierInnen charakteristischen Selbstironie und spielerischen Unbefangenheit ohne jedoch die Dringlichkeit ihrer Anliegen aus den Augen zu verlieren. Die komplexe Vielfalt des kulturellen Mikrokosmos Australiens wird dabei ebenso spürbar wie die Verbundenheit mit kunsthistorischen Traditionen Europas und Amerikas. Die Arbeiten verdeutlichen, was diese Künstlerinnen und Künstler bewegt und lassen so Realität und Alltag im australischen Kontext erkennen. Auseinandersetzungen mit Gender, mit der eigenen Familiengeschichte, dem sozialen Umfeld oder der Ikonographie der australischen Landschaft stehen neben Reflexionen über globale Strömungen und Phänomene im spätkapitalistischen Wertesystem, und immer wieder stellt sich die Frage nach den spezifischen lokalen Bedeutungen.
SUNBURN entwickelte sich aus meiner Bewegung zwischen Australien und Europa. Als österreichische Künstlerin kam ich vor etwa fünf Jahren erstmals nach Sydney und fand mich in einer äusserst lebendigen Szene wieder, welche durch die Effizienz unabhängiger Netzwerke beeindruckte. Die hier vertretenen Künstlerinnen und Künstler machen sich lokale Notwendigkeiten zunutze und organisieren sich jenseits konventioneller Markt-, und Institutionspolitik in einer Art und Weise, die eine ungeheure Bewegung und Produktivität hervorbringt. Dabei fasziniert das interdisziplinäre Verständnis von künstlerischer Produktion und organisatorischer Tätigkeit. Für viele dieser KünsterInnen ist es selbstverständlich, Ausstellungsräume zu führen, Projekte zu organisieren, Musik zu machen oder schriftstellerisch tätig zu sein. SUNBURN zeigt Kunst, die in jenem Klima gewachsen ist. Während Teile der Off-Szene in Europa zuweilen grosse Beachtung finden, haben KünstlerInnen wie diese aus Sydney trotz der Exzellenz ihrer Arbeit im Vergleich wenig Gelegenheit, aktiv an internationalem Ausstellungsgeschehen teilzuhaben. Dies wird oft als problematisch empfunden, da ein Grossteil australischer Künstlerinnen und Künstler direkte familiäre Verbindungen nach Europa hat und sich durch die Generation der Eltern oder Grosseltern europäischen Traditionen sehr verbunden fühlt. Die geographische Lage Australiens stellt jedoch eine grosse ökonomische Hürde für jede Art von Reisetätigkeit und Vernetzung mit anderen Kunstzentren dar. SUNBURN wurde zum Grossteil von Künstlerinnen und Künstlern organisiert und hat insofern herkömmliche Kanäle kulturpolitischer und kommerzieller Zensur nicht durchlaufen. Das Projekt wurde unter vielen Anstrengungen aufgebaut, und ich möchte Allen danken, die zur Realisation beigetragen haben.* Anita Fricek, Wien und Hamburg im Februar 2001. KONZEPT - Ziel dieser Ausstellung ist es, auf die vitale unabhängige Kunstszene Sydney's aufmerksam zu machen. Ausserhalb Australiens nur wenig bekannt soll ein repräsentativer Ausschnitt der zeitgenössischen Kunstproduktion der grössten Stadt Australiens in ein internationales Blickfeld gerückt werden. So bietet sich hier auch eine Alternative zu dem Bild Australiens, das durch die teils stark kommerziell orientierten Olympischen Spiele erzeugt wurde. - Klischeehaften Erwartungshaltungen der etwa in Europa oft verbreiteten Vorstellung von exotischer australischer Kunst werden unterschiedliche Positionen kritischer Kunstpraxis entgegengesetzt. Die Ausstellung wird Alltag und Realität in Australien als Hintergrund dieser künstlerischen Positionen verdeutlichen. - Die Ausstellung stellt nicht den Anspruch, eine kunsthistorische Aufarbeitung zu sein, sondern ist vielmehr der Versuch, das lebendige Gefüge einer international relativ wenig bekannten Szene vorzustellen.
HINTERGRUND Sydney, die olympischen Spiele und die australische 'Identität' Australien ist eine junge westliche Nation auf einem geologisch und kulturell sehr altem Kontinent. Die langjährige britische Kronkolonie ist heute eine eigenständig regierte Demokratie, und die Gesellschaft setzt sich aus einer Vielzahl von Bevölkerungsgruppen zusammen. Multikulturalität und des Fehlens eines kollektiven kulturellen Erbes prägen das Verständnis der Bevölkerung. Das Entwurzelt-Sein (displacement) von den ursprünglichen Mutterländern Europas, Asiens und des vorkolonialen Australiens und die Aufgabe, eine moderne Nation aufzubauen, erfüllen das Land. Als junge Nation befindet sich Australien im ständigen Ringen um 'Identität', die sich ob den unterschiedlichsten Bedürfnissen der mulitkulturellen Gesellschaft nur im Sinne pluralistischen, zukunftsorientierten Denkens definieren kann. Obgleich ausserhalb des 'euro-amerikanischen' Kontextes gelegen, ist Australien in historischer, politischer, ökonomischer und kultureller Sicht tief mit den Mächten der westlichen Welt verwurzelt, nimmt zugleich aber eine völlig authentische Position ein. Die unmittelbare Nähe Asiens etwa, Australiens nächstem geographischen Nachbar, übt einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Wirtschaft aus. Als grösste und reichste Stadt Australiens vereint Sydney die Komplexitäten einer Millionenmetropole in sich, und das Opernhaus von Sydney gilt als Symbol und Wahrzeichen der 'Neuen Welt'. Die olympischen Sommerspiele 2000 haben das Bild und das Leben der Stadt stark verändert, den Spielen ging ein unvorstellbaren Bauboom und eine gigantische Werbemaschinerie voraus, was für die nicht so gut verdienenden Bevölkerung nicht gerade zum Vorteil war. Viele Menschen waren aufgrund der steigenden Mietpreise oder der Interessen von Bauherren gezwungen, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen, eine Vielzahl von unabhängiger Kulturinitiativen musste zusperren. AustralierInnen haben eine Abneigung gegen rigide gesellschaftliche Normen und einen starken Hang zum Antiautoritären. Humor und Selbstironie sind wesentliche Charakteristika der australischen Mentalität. Gender Die australische Gesellschaft ist sehr egalitär und demokratisch ausgerichtet, und der Prozentsatz von Männer und Frauen im öffentlichen Leben und in leitenden Positionen ist annähernd gleich, die Quotenregelung ist also um ein Vielfaches ausgeglichener als etwa in Mitteleuropa. Post-feministische Fragen sind wesentlicher Bestandteil von kritischer Ausstellungspolitik und kunsttheoretischen Diskursen. Weibliche und männliche Homosexualität ist speziell in Sydney sehr thematisiert und sowohl im öffentlichen Leben als auch in der Kunstszene stark vertreten. Einmal jährlich findet die riesige Schwulen - und Lesbenparade Mardi Gras statt, die BesucherInnen aus der ganzen Welt anzieht, und mittlerweile einen wichtigen Wirtschaftsfaktor der Stadt darstellt. So wie die Multikulturalität ein allgemeines Bewusstsein von kultureller Toleranz fordert, wird der seriöse Umgang mit Genderthematiken als grundlegende Voraussetzung politischer Korrektheit angesehen. Crossover Kunst/Popular Culture Die Hinterfragung der kolonialen 'Hochkultur' in Australien, urbanes Wachstum, und die vielschichtigen kulturellen Einflüsse subsumier(t)en Voraussetzungen für ein Kunstschaffen, dessen Semiotik populärer Kultur nahe steht und das, im Beschauen kultureller Agenda, lokale Bedingungen zu sondieren sucht. Die Ballungszentren der Metropolen liefern dafür einen intensiven Nährboden. Die kritischen und ironischen Ausdrucksformen einer urbanen, multikulturellen Generation von KünstlerInnen spiegeln diese Konzentration wieder. Dabei geht es geht nicht so sehr um die Produktion von 'fertigen', in sich geschlossenen Kunstwerken (z.B. Tafelbild, Skulptur - im herkömmlichen Sinne), sondern um Kunst, die Strukturen des Alltags untersuchen will. Diese Kunst kommuniziert durch das Eingreifen in die Bildern, Zeichen und Mythen, die durch Politik, Musik, Werbung, Fernsehen, Film und massenproduzierte Konsumartikel hervorgebracht werden, und reflektiert mit viel Selbstironie die Wirklichkeit der australischen Gesellschaft. Was ist die australische Kultur? Sport, Outdoor Life, Beachculture, Outback, Suburbia, 'White Trash', Rock/Pop, Britisches und europäisches Erbe, Amerikanischer Einfluss, Wiederbelebung der Aborigineskultur, geographische Nähe Asiens, Nebeneinander vieler Kulturen, Sprachen und Religionen, Ringen um Authentizität, jede(r) ist EinwanderIn. Grunge Die Kunstproduktion der jungen Szene Sydneys wurde seit den späten 80er Jahren immer wieder mit der aus den USA stammenden Jugend,- und Musikkultur des Grunge (z.B. Nirvana) in Zusammenhang gebracht, wo mit einfachsten, oft aus industriellen Abfallprodukten verwendeten Mitteln, komische und sarkastische Aussagen getroffen wurden, die den Geist der internationalen Jugendkultur Mitte der 90er Jahre wiederspiegelten. Die Bezeichnung 'Grunge' ist mittlerweile eine historische, und es ist eigentlich nur zulässig, Einflüsse dieser Bewegung als ursprünglichen Antrieb des Kunstschaffens der Generation der KünstlerInnen um 30ig zu sehen. Übrig geblieben sind der Crossover von Punk,-und Rockmusik/Bildende Kunst, Garagerock, trashige Materialien, Materialien aus Alltag, Abfallsprodukte, Strategie des Versagens (=kollabieren von binären Qualitätskriterien - z.B. gut - schlecht, Dekonstruktion des Mythos des modernistischen, avantgardistischen Geniebildes), wobei ironischerweise eine Bewegung wie Grunge genauso ihre Helden hervorgebracht hat- z.B. Kurt Cobain- ein fast klassisch, romantisches Rockidol inklusive frühem (Frei)tot, ein Antihero. Da der Kunstmarkt in Australien im Vergleich zu Europa relativ klein ist, ist zudem nicht so eine grosse Notwendigkeit gegeben, für einen Markt und seine relativ konventionellen Geschmäcker zu produzieren. Minimalismus und Konzeptkunst Der in den siebziger Jahren aufkommende Konzeptualismus favorisierte Konzept vor Wahrnehmung, und wurde so in der Kunstgeschichte Australiens erstmals seit ihren Anfängen in der britischen Kolonialzeit zum Werkzeug für den Aufbau einer eigenständigen kulturellen Identität. Die analytische und reflexive Vorgehensweise der Konzeptkunst war mehr an gesellschaftlichen und kunstpolitischen Strukturen als an der Produktion von herkömmlichen Kunstwerken orientiert. So konnte man die lokalen Bedingungen in Australien untersuchen und diese gleichzeitig mit internationalen Strömungen und Diskursen in Verbindung bringen. Zudem vertrug sich die australische Vorliebe zum Antiautoritären mit der in der Konzeptkunst eingeschriebenen Verachtung orthodoxer Denkmuster besonders gut. Verbunden mit minimalistischen Mitteln wie serieller Wiederholung und systematischer Präsentation erzielten diese konzeptuellen Strategien jenen distanzierenden Effekt, der den ironisch kritischen Umgang mit dem unmittelbaren Umfeld erlaubte. KünstlerInnen begannen, gefundene Objekte, Alltagsgegenstände, Mittel der Populärkultur, Sprache, Performance und Video zu benützen, um die Dichotomie von Kunst und Leben aufzuheben. Ebenso entstand in dieser Zeit eine rege Aktivität alternativer Ausstellungskultur, die bis heute von der jeweils jungen Künstlergeneration weitergetragen wird. Selbstorgansiation von KünstlerInnen /Unabhängige Szene Im Crossover KünstlerIn/AusstellungsmacherIn/AutorIn spiegelt sich der Versuch, das romantische, weltabgehobene Bild des Künstlers als Genie zu durchbrechen, und Kunstproduktion mit Kunstpräsentation und Kunstreflexion zu verbinden. Der /die KünstlerIn agiert in pluralistischem Sinn, ist ProduzentIn und ManagerIn in einer Person. Dahinter steht ein politischer Anspruch von Selbstverantwortung innerhalb des Kunstbetriebes und ein aktives Schaffen von Strukturen, die KünstlerInnen den Freiraum unzensurierter Kunstproduktion ermöglichen, welche vom Diktat des kommerziellen Marktes und von herkömmlicher Kuratorenpolitik unabhängig ist. So werden tradierte Rollenzuweisungen in diesem Kontext aufgebrochen. In künstlerischer Eigeniniative organisierte Ausstellungsraume verstehen sich als Plattform für vielschichtige Arten von Ereignissen und experimentellen Ansätzen. In Sydney werden die Räume generell von einer kleinen Gruppe von KünstlerInnen angemietet und verwaltet. Die Miete für die Räume muss von den jeweils ausstellenden KünstlerInnen für den Zeitraum der Ausstellung getragen werden. Da die Mieten in Sydney sehr hoch sind, können sich KünstlerInnen oft keine Ateliers leisten und die Ausstellungsräume werden dann dazu genützt, neue Dinge auszuprobieren und zu diskutieren. Anders als etwa in Deutschland existiert in Australien die Tradition, leerstehende Häuser zu besetzten und auch als Kunsträume zu benutzen, kaum.
DIE AUSSTELLUNG Die Arbeiten Der Schwerpunkt dieser Ausstellung liegt auf interdisziplinärer, konzeptuell orientierter, politisch motivierter Kunst. Die KünstlerInnen entscheiden jedoch selbst, was sie zeigen. Wichtiges Element von SUNBURN ist, dass einige Arbeiten neu und erst vor Ort entstehen und auf die raumspezifischen Gegebenheiten des Ausstellungsortes eingehen. Das heisst, es geht nicht so sehr darum, transportable Objekte von Sydney nach Hamburg zu bringen, vermittelt werden soll u.a. auch das unmittelbare Agieren einiger KünstlerInnen, die auf eine vorgefundene Situation antworten und insofern Einsicht in ihre künstlerischen Ansätze geben. Dieser Faktor ist wichtiger Teil des Konzeptes, und gewährleistet eine aktive und lebendige Ausstellungssituation, die den teilnehmenden KünstlerInnen möglichst viel Freiraum lässt. Die endgültige Form der Ausstellung wird also nicht im vorhinein festgesetzt, sondern konkretisiert sich durch gemeinsame Zusammenarbeit im Laufe des Ausstellungsaufbaus. Die Ausstellung wird sich aus den Parallelen, Überschneidungen und Unterschieden zwischen den einzelnen künstlerischen Positionen zusammensetzen, die sich ergänzen und widersprechen können. Rauminstallation, Fotografie, Video(installation), Arbeiten mit Text, Malerei, Performance werden die künstlerischen Medien bilden. Die teilnehmenden KünstlerInnen Gezeigt wird ein repräsentativer Querschnitt der Szene, das heisst einige der KünstlerInnen verkörpern gewisse Positionen und Tendenzen in der Szene, oder sie sind Teil von Gruppen, die ähnliche Ansätze teilen, sich gegenseitig beeinflussen, oft zusammen ausstellen und sich um bestimmte Ausstellungsräume formiert haben. Einige der KünstlerInnen haben Ausstellungskollektive gegründet und geleitet, bzw. leiten diese noch immer. Um nicht nur Gruppierungen zu zeigen, wurden manche KünstlerInnen bewusst angesprochen, die sich dazwischen bewegen und nirgends eindeutig zuordenbar sind. Die KünstlerInnen bilden also keine homogene Gruppe. Sie alle haben sich im Klima der Off-Szene entwickelt, 4 der 22 KünstlerInnen werden mittlerweile von kommerziellen Galerien vertreten. Wichtiges Kriterium war auch, KünstlerInnen zu involvieren, die sich in Zwischenbereichen von künstlerischen, organisatorischen und theoretischen Bereichen bewegen. In der Ausstellung sind 22 KünstlerInnen vertreten, 10 davon sind Frauen. * Danksagung Achim Könneke und der Hamburger Kulturbehörde, welche dieses Projekt ermöglicht hat; Claus Friede von der ACC Kunstagentur Hamburg für die organisatorische Unterstützung; den KünstlerInnen für ihre Teilnahme und Unterstützung und für alle Anstrengungen, die sie auf sich genommen haben, um nach Hamburg zu kommen; sowie Stephen Zepke, Chris Fortescue, Gunther Sackl, Simone Sentall, Simon Barney, Adrienne Doig, Roland Vorlaufer, Claudia Hirtl, Mike Hentz, Sabine Siegfried; sowie Allen, die an 'Sydney!Vienna!', dem Vorläuferprojekt von SUNBURN, mitgearbeitet haben. |